Rede 1. August-Feier in Flawil

Liebe Familien, liebe Eltern, liebe Kinder,
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Werte Damen und Herren

Ich freue mich sehr mit Ihnen hier in Flawil den 1. August zu feiern. Es fällt mir leicht, an unserem Nationalfeiertag zu sprechen. Denn ich feiere die Schweiz sehr gerne. Gerade weil ich albanische Wurzeln habe, weiss ich ganz genau, was wir an unserem Land und seiner demokratischen und liberalen Tradition haben. 

Gerade weil ich eine vielfältig Identität in mir trage, weiss ich es zu schätzen, wie vielfältig und offen die Schweiz ist. 

Auch als Unternehmer feiere ich die Schweiz sehr gerne. Ich feiere jeden Tag – nicht nur am 1. August – dass unser Land so viele wirtschaftliche Chancen für so viele Menschen bietet. Wer etwas aus seinem Leben machen will, kann es in der Schweiz schaffen. Unabhängig von Herkunft, Nationalität, Religion, Sexualität, Geschlecht, Hautfarbe oder politischer Einstellung.

Und als Politiker bin ich wirklich stolz auf vieles in der Schweiz. Ich bin stolz auf den wirksamen Schutz unserer wunderschönen Natur und auf unsere sozialen Errungenschaften. 

Klar, vieles wollen und müssen wir noch verbessern. Darum engagieren wir uns für unsere Gesellschaft. Zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, im Verein oder eben in der Politik. Gemeinsam arbeiten wir daran, dass unser Land und unsere Gemeinschaft noch besser werden. Dass noch weniger Menschen ausgeschlossen werden. Damit unsere Natur noch besser geschützt und unsere Kleinen, Alten, Schwachen und Kranken noch besser gefördert und gepflegt werden. Damit wir noch innovativer, offener und solidarischer werden.

Daran arbeiten wir morgen und übermorgen. Heute feiern wir hingegen, was schon geschaffen wurde. Die moderne Schweiz wurde 1848 gegründet. Mit der ersten demokratischen Bundesverfassung schufen unsere Vorfahren die Willensnation Schweiz. Der Wille zusammenzustehen und der Wille, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zu schliessen und alle Minderheiten miteinzubeziehen und sie zu respektieren, ist tief in der schweizerischen Kultur verwurzelt.

Dieser Wille führte auch zu den vielen Errungenschaften, welche die Schweiz so lebenswert machen. Zum Beispiel unser Service Public, der das ganze Land zusammenhält. Unsere Demokratie, die uns alle in die Pflicht nimmt. Oder die AHV, die ein einmaliges Stück Solidarität unter den Generationen geschaffen hat.

Diese Idee von Solidarität macht die Schweiz aus. Und sie zeigte sich im Laufe der Geschichte nicht nur innerhalb des Landes, sondern wurde in die Welt getragen. Nicht zufällig wurde das Rote Kreuz von einem Schweizer Geschäftsmann, Henry Dunant, gegründet. Ebenfalls nicht zufällig entstand die Genfer Konvention innerhalb unserer Landesgrenzen. Und auch die UNO hat nicht zufällig ihren Sitz in Genf. 

Gemäss der Weltorganisation für geistiges Eigentum sind wir das innovativste Land der Welt. Und das bereits das achte Mal in Folge! 

Für ein verhältnismässig kleines Land ist das eine grossartige Leistung! Das ist nur möglich, weil sich unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft in einem freien, sozialen und sicheren Land entfalten können.

Unser Erfolg hat aber sicher auch mit unserer Vielfalt und unserer Weltoffenheit zu tun. 46% der Schweizer Wohnbevölkerung hat mindestens einen Elternteil, der im Ausland geboren ist. Diese persönliche, internationale Verflechtung macht uns vielfältig und stark. Migration gehört zur Schweiz, auch wenn wir uns manchmal damit schwer tun. Nicht nur die nackten Zahlen, auch die menschlichen Geschichten der modernen Schweiz zeigen, wie stark wir mit der Welt verbunden sind und wie stark wir von unserer Offenheit profitieren. 

Der gebürtige Libanese Nicolas Hayek rettete die Schweizer Uhrenindustrie und machte sie zu einem weltweit bekannten Symbol der Schweiz. Hayek wurde übrigens im ersten Einbürgerungsversuch ohne objektivem Grund abgelehnt. Das hätte für die Schweiz ziemlich ins Auge gehen können! 

Mit Albert Einstein haben wir einem der intelligentesten Menschen der Geschichte Zuflucht geboten und erhielten danach weit mehr zurück. 

Und Valon Behrami macht uns so viel Freude wie Lara Gut! Er spielte bereits zum vierten Mal für die Nati an der WM und zieht damit mit Weltgrössen wie Maradona und Pelé gleich. Kürzlich liess er im Spiel der Schweiz gegen Brasilien den teuersten Spieler der Welt, Neymar, ziemlich amateurhaft aussehen. 

Die Liste von echten Schweizer Weltbürgerinnen und Weltbürgern ist lang und geht von Maggi zu Kambundji, von Herman Hesse zur Literaturpreisträgerin Irena Brezna (die übrigens im ersten Einbürgerungsgesuch auch abgelehnt wurde) und weiter zu Tina Turner, der Flawilerin Belinda Bencic und vielen mehr.  

Die Schweiz ist stark, weil wir international sind. Darauf sollten wir stolz sein!

Der 1. August wird übrigens nicht nur in der Schweiz gefeiert. Es gibt über 750’000 Schweizerinnen und Schweizer, die ausserhalb der Landesgrenzen leben. Unsere St.Galler Ständeratspräsidenten Karin Keller-Sutter schrieb kürzlich in der Wiler Zeitung über Ihren Besuch in New Glarus, USA. Sie zeigte sich beeindruckt, dass die Schweizer Migrantinnen und Migranten sogar in der fünften Generation unsere Schweizer Tradition pflegen. Sie sind mit der Schweiz tief verbunden, auch wenn viele nie hier gelebt haben und zum Teil nur noch den amerikanischen Pass besitzen. 

Das ist interessant und für unsere Kultur erfreulich. Ich wünsche mir, dass wir aus der gleichen Perspektive die Migrantinnen und Migranten in der Schweiz betrachten. 

Es ist für die Identität wichtig, dass man zu seinen Wurzeln oder die der Vorfahren steht und gleichzeitig eine neue Heimat hat. Für die Menschen in New Glarus in den USA muss der gleiche Standard wie für die Menschen mit Migrationshintergrund in der Schweiz angewendet werden. 

Integration bedeutet nicht, die eigenen Wurzeln zu leugnen. Integration bedeutet die neue Heimat zu lieben und mitzugestalten!

Klar, Migration und Integration sind auch Herausforderungen. Aber solche die wir meistern werden! Denn die Schweiz war immer dann am stärksten, wenn die Menschen aufeinander zugegangen sind.

Wir sollten mit dem Asylrecht grosszügig umgehen, denn die Toten im Mittelmeer, sind auch unsere Toten. Wir sollten die Flüchtenden mit offenen Armen aufnehmen, denn sie sind schon bald unsere Nachbarn, Freunde und Familienangehörigen. 

Nur Menschen, die sich willkommen und aufgehoben fühlen, können das Beste aus sich herausholen und so den optimalen Beitrag für unsere Gemeinschaft leisten.

Mutter Teresa sagte einst: „Die schlimmste Armut ist Einsamkeit und das Gefühl, unbeachtet und unerwünscht zu sein.“ Die Schweiz ist nicht arm und sollte nie arm werden. Weder wirtschaftlich noch im Sinne von Mutter Teresa. 

Lasst uns reich an Menschlichkeit und Gemeinschaftsgefühl sein. Im Grossen, aber auch im Kleinen. Zum Beispiel, indem wir den solidarischen  B’treff in Flawil unterstützen. Dank dem grossen Engagement des b’treff Teams ist hier ein besonderer, wichtiger Treffpunkt entstanden, wo insbesondere sozial benachteiligte Menschen aus Flawil und Umgebung einen Ort für Begegnung, Gespräche, Informationen und Hilfestellungen im administrativen Bereich finden. Dieser Ort hat uns vor 6 Jahren auch inspieriert, mit dem Verein “Fair Wil” im benachbarten Wil etwas ähnliches aufzubauen. Das war viel Arbeit, aber auch sehr bereichernd!

Oder indem wir mithelfen, dass möglichst viele Menschen unsere Gemeinschaft mitgestalten können. Das heisst konkret, dass wir alle hier lebenden Menschen nach einer vernünftigen Frist auch einbürgern und ihnen alle Mitbestimmungsrechte geben. 

Der ehemalige Staatsmann Athens Perikles sagte schon vor 2500 Jahren: „Ein Bürger, der sich nicht um die Belange seiner Stadt bemüht, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.“ Damit sich alle Menschen vollständig für die Stadt, den Kanton und unseren Bundesstaat einsetzen können, benötigen sie aber auch die Rechte dazu. Hindern wir sie nicht dazu, fördern wir ihren Einsatz für die Gemeinschaft! 

Unsere Stärke und unser Reichtum sind das Ergebnis aus der Vielfalt unserer Sprachen, Kulturen, sozialen Herkünften, Meinungen und persönlichen sowie beruflichen Kompetenzen und Erfahrungen. 

Sie sind das Ergebnis unserer Tradition der Offenheit und der Menschlichkeit, unserer Freundschaft und der Fähigkeit, sich immer wieder zu erneuern und sich der Zeit anzupassen. Genau wie mit unserer erneuerten Nationalhymne!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen 1. August!